"Die fossile Industrie kämpft hart um ihre Pfründe"

Strom sei nicht wegen der Energiewende so teuer, sagt die Ökonomin Claudia Kemfert – sondern weil die Kohlekraftwerke immer noch laufen. Die fossile Lobby schlage zurück.
ZEIT ONLINE: Frau Kemfert, in Ihrem neuen Buch schreiben Sie, die Energiewende sei nicht schuld an den hohen Strompreisen in Deutschland. Ernsthaft?
Claudia Kemfert: Zu behaupten, der Strom sei wegen der Energiewende so teuer, ist ein reines Ablenkungsmanöver. Fakt ist: Die Erneuerbaren werden immer billiger, denn die Kosten von Wind- oder Solarstrom sinken kontinuierlich. Aber weil in Deutschland immer noch so viele alte Kohle- und Atomkraftwerke am Netz sind, wird hierzulande viel zu viel Strom produziert. Das Überangebot lässt den Strompreis an der Börse stark sinken...
ZEIT ONLINE: ...und eben weil die Energiewende so merkwürdig konstruiert ist, treibt genau das den Preis für die privaten Endverbraucher in die Höhe.
Kemfert: Das stimmt nicht ganz. Richtig ist: Die EEG-Umlage basiert auf einem paradoxen Effekt. Wer eine Wind- oder Solaranlage betreibt, bekommt dafür – je nach Art und Größe der Anlage – eine Einspeisevergütung in fixer, garantierter Höhe. Der Börsenstrompreis liegt in der Regel darunter, und die EEG-Umlage finanziert die Differenz. Je tiefer der Strompreis an der Börse sinkt, desto höher ist also die Umlage.
Das ist ein kostenneutraler Weg zur Förderung der Erneuerbaren, und für den Endverbraucher müsste das eigentlich zu stabilen Preisen führen. Wer den Erfolg von Wind und Sonne für steigende Endverbraucherpreise verantwortlich macht, ist unehrlich oder betreibt ein gezieltes Täuschungsmanöver. Für die steigenden Strompreise gibt es viele andere Gründe.
ZEIT ONLINE: Zum Beispiel?
Kemfert: Ein nicht unwesentlicher ist eben, dass zu viele konventionelle Kraftwerke am Netz sind und zu viel Strom produzieren. Außerdem: Dass die Politik alten, ineffizienten Kohlekraftwerken eine Abwrackprämie zugestanden hat, die jetzt auf den Strompreis draufsattelt. Dass energieintensive Unternehmen die EEG-Umlage nicht zahlen müssen, also derzeit vom super-billigen Strompreis profitieren, und die privaten Verbraucher deren Anteil übernehmen müssen.
Hinzu kommt ein völlig überdimensionierter Netzausbau – für den Überschuss an Strom, der erzeugt wird, eben weil die ineffizienten Kohlekraftwerke noch am Netz sind. Auch den Netzausbau zahlen die Verbraucher. Die Energiewende ist nicht wegen der Erneuerbaren teuer, sondern weil wir viel zu lange an der alten Infrastruktur festhalten. So müssen die jungen Energien quasi die Rente für die ohnehin jahrzehntelang gepäppelten alten Energien bezahlen. Wir finanzieren die Vergangenheit, statt in die Zukunft zu investieren.
Das komplette Interview können Sie sich gerne in der Anlage herunterladen (sehr lesenswert!)